Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Migration als Waffe
gegen Europa

Putin und Erdogan haben die Achillesferse der Europäer entdeckt: die Migration, und beuten sie gnadenlos für ihre Interessen aus.

An der Heimatfront

In den Ländern Europas unterstützt Putin fremdenfeindliche Parteien, welche die Regierungen mit völkischen und nationalistischen Parolen unter Druck setzen.

Willige Gehilfen Moskaus gibt es in den rechtsnationalen Parteien in Menge. Moskau spendet ihnen über viele Kanäle Propaganda und auch Geld.

Erdogan versucht mit dem Flüchtlingsstrom, mit seinen türkischen Anhänger in Europa und mit dem fundamentalistischen Islamismus, den Europäern seinen Willen aufzuzwingen.

Jede demokratische Wahl in Europa öffnet beiden und ihren hiesigen Helfern neue Chancen, um den Druck zu erhöhen.

Das ist die eine Seite.

Naher Osten und Nordafrika

Die andere findet sich im Nahen Osten und in Nordafrika.

Putin weiss, wenn er die Flüchtlingsströme aus diesen Gebieten nach Europa steuern kann, hat er eine mächtige Waffe in der Hand. Er ist nahe am Ziel. Mit den russischen Bombern in Syrien löst er periodisch riesige Flüchtlingswellen aus.

Erdogan hilft, treibt den Krieg in Syrien voran und öffnet die türkischen Grenzen, um die Flüchtlinge nach Europa zu schleusen. Die Regulierung des Stroms macht er davon abhängig, ob und wieviel die Europäer in seine Kasse zahlen.

Jetzt ist Putin mit seinem Militär und mit Waffenlieferungen in Libyen im Vormarsch. Auch Erdogan begibt sich mit Truppen in dieses Land.

Russland steht nahe davor, in Nordafrika militärisch die bestimmende Macht zu werden. Strategisches Ziel Putins ist nicht das lybische Öl. Öl hat er selbst genug. Er will den Migrantenstrom aus Afrika nach Europa steuern und damit die Europäer in die Zange nehmen.

Hirntote NATO

Was machen wir Europäer? Militärisch sind sie wir direkt oder indirekt – wie im Fall der Schweiz - in die NATO eingebunden. Die NATO wird von den USA gesteuert.

Die USA sind in den letzten zehn Jahren - für Europa überraschend - zum grössten Erdölproduzenten gewachsen, vor Russland und Saudi Arabien, und jetzt Selbstversorger. Anfang 2020 produzierten die Amerikaner über 15 Millionen Barrel pro Tag, die Saudis 13 Mio., die Russen 12 Mio.

Diese Tatsache ist Ursache für den von den Saudis ausgelösten Ölpreis-Krieg. Die amerikanischen Schieferölproduzenten und möglichst auch die Russen, die beide weit höhere Kosten als die Saudis haben, sollen Marktanteile an die Saudis abgeben.

Seit die USA in grossem Stil im eigenen Land rentabel Schieferöl pumpen können, haben sie militärisch das Interesse am Nahen Osten und an Nordafrika verloren. Das begann schon in der Obama-Administration und bestimmt unter Trump die Politik. Trump überlässt Syrien, Libyen und die Türkei Putin.

Die Sicherheit Europas und die Bekämpfung der illegalen Migration nach Europa sind ihm kein Anliegen. Dafür sollen die Europäer selber sorgen.

Als Folge der Trump’schen Politik ist die NATO politisch und militärisch handlungsunfähig. Der französische Präsident Macron hat im November 2019 die NATO mit Recht für hirntot erklärt.

Lage spitzt sich zu

Die blosse Feststellung hilft allerdings nicht gegen die Strategie Putins.

Er sitzt am Schalter der Migrationsströme nach Europa und betätigt diesen, um die Europäer für seine Interessen gefügig zu machen.

Insbesondere sollen sie die russische Annexion von Teilen Georgiens und der Ukraine anerkennen und die Sanktionen aufheben.

Das würde ihm die Tür für weitere Annexionen im Sinne seiner Grossmachtfantasien eröffnen. Putin will bis 2034 als Alleinherrscher an der Macht bleiben. Dafür hat er gerade jetzt die russischen Verfassung ändern lassen.

In Europa selbst besitzt Putin eine treue Anhängerschaft in den rechtsnationalen Parteien, auch in der Schweiz, die laufend mit seiner Unterstützung das Feuer der Ausländer- und EU-Feindlichkeit schüren.

Wenn Europa weder militärisch, noch politisch über die Kraft verfügt, gemeinsam für die eigenen Sicherheit auf dem Kontinent und an seinen Grenzen zu sorgen, steuern wir in eine gefährliche Lage.

Wir sollten erkennen, dass sich die USA aus der sicherheitspolitischen Verantwortung für Europa verabschieden und die Migrations-Waffe in der Hand Putins zusammen mit der von ihm gesteuerten Internet-Propaganda, täglich an Durchschlagskraft gewinnen.

Betrüblich ist in dieser Situation, dass Mitglieder der Schweizer Regierung – aus welchen Gründen auch immer – Putin den Hof machen und die europäischen Nachbarn als Gegner betrachten, statt sich um die gemeinsame europäische Sicherheit zu kümmern. Ist es Naivität oder politisches Programm?

Fehlt die Sicherheit für Europa, fehlt sie auch für die Schweiz.

18.03.2020

zur Publikation als PDF